Interitus Vermibus - Untergang durch Würmer

Leseprobe


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Als der T-Rex den Kopf des Kerls traf, war ein deutliches Krachen zu hören. Es dauerte keine zwei Sekunden, bis ein Zahn über den Betonboden kullerte.

»Nicht schlecht«, brummte Robert und wog das Plastikspielzeug, das er an dessen langem Schwanz umklammert hielt, anerkennend in der Hand. Bevor sein Gegenüber den Mund aufbekam, zog er ihm noch eins mit dem Dinosaurier über.

»Fast so gut wie ein Totschläger. Ich glaube, den behalte ich.«

Roberts Atem formte eisige Wölkchen im Halbdunkel des Lagerhauses. Um seine Füße lag ein Gewimmel urzeitlicher Tiere verstreut. Die Kiste zu seiner Linken hatte sie freigegeben, als der Kopf seines Gegners mit ihr kollidiert war. Es war ein heftiger, aber kurzer Kampf gewesen. Er hatte ausgereicht, um die Dunkelheit zu wecken, sie jedoch nicht zufriedengestellt.

Robert beugte sich zu dem benommenen Mann hinab und hielt ihm das Spielzeug unter die Nase. »Aber das ist doch nicht der Grund, aus dem ihr euch hier verkriecht. Wo ist die eigentliche Ware? Was verschiebt ihr?«

Langsam hob sich der Kopf. Die Augen unter den hellblonden Stoppeln schielten; ob das vor der Tracht Prügel auch schon so gewesen war, ließ sich nur schwer beurteilen.

»Fick dich«, zischte der Mann durch schmale Lippen. Ein Schwall Blut begleitete die Abfuhr. Obwohl er aussah wie ein Wiesel, war der Typ zäh, das musste Robert ihm lassen.

»Du scheinst die Lage nicht zu verstehen«, knurrte er und pochte mit dem Zeigefinger der freien Hand gegen die Stirn des Mannes. »Ich bin kein Bulle, und erst recht kein netter Kerl. Du kommst hier nicht weit, indem du die Aussage verweigerst. Schlimmer noch«, er holte erneut aus und schmetterte den T-Rex mit solcher Wucht gegen den Unterkiefer des Kerls, dass dieser mit sprödem Knacken brach, »das hier macht mir Spaß.«

Das Wiesel jaulte gequält, sah aber nur eine Sekunde später voller Hass zu ihm auf. »Du Schwein«, stieß es mit schief stehendem Mund hervor. »Ich sag dir gar nichts.«

Ein Gefühl wallte in Robert auf. Es war warm, mächtig und fühlte sich gut an. Ihm wurde klar, dass er Vorfreude verspürte. Grinsend legte er den Dino beiseite und ließ die Fingerknöchel knacken. »Dann, mein Freund, werden wir beide noch eine Menge Spaß haben.«

Endlich flackerte so etwas wie Furcht in den schielenden Augen. »Mann, was ist denn mit dir los?«, nuschelte der Kerl.

»Hab ich dir doch eben erklärt«, erwiderte Robert und brachte das Leder seiner Jacke zum Knarzen, indem er die Muskeln anspannte. »Du sitzt mächtig in der Scheiße.«

Der blonde Gangster überraschte ihn, indem er ungläubig den Kopf schüttelte. »Nein Mann, ich meine deine Augen.«

»Was soll …«

Ein Stöhnen unterbrach Robert. Es drang aus einem Fleck tiefer Finsternis einige Meter entfernt zu ihm herüber.

»Hey, da wird jemand wach.« Er zwinkerte Wiesel-Man zu. »Ich hab euch unterschätzt. Wie es aussieht, legt der Preuße inzwischen Wert auf gutes Personal.«

Er wandte sich ab und schlenderte zu der Geräuschquelle hinüber. Wiesel-Man würde bestimmt nicht weglaufen; seine Benommenheit sowie die Kabelbinder, die Robert ihm um Hand- und Fußgelenke geschlungen hatte, würden dies verhindern.

Robert passierte grobschlächtige, nach Moder und Sägemehl riechende Stapel aus Kisten. Viele davon mussten schon jahrelang in der Halle lagern. Beiläufig fragte er sich, welche längst vergessenen Güter hier auf einen kriminellen Käufer warten mochten.

In den tiefsten Schatten lag der andere Mann des Preußen. Robert hatte ihm einen sauberen Haken verpasst, woraufhin er gegen einen Stapel maroder Kisten getaumelt und unter einer Kaskade herabstürzenden Diebesguts begraben worden war. Eigentlich hätte er sich noch für längere Zeit nicht rühren sollen, aber offensichtlich war er mindestens so hart im Nehmen wie sein Kollege. Stöhnend und gurgelnd wälzte der Mann sich in den Überresten irgendwelcher tropischer Früchte.

Vielleicht wirkt der Gammelgestank ähnlich wie Riechsalz, dachte Robert und holte zu einem Tritt aus.

»Uh, dein Freund ist gerade in Führung gegangen«, rief er über die Schulter, als der Mann wieder still lag. »Ich zähle mindestens drei Zähne.«

Wiesel-Man gab keine Antwort, aber damit hatte Robert auch nicht gerechnet. Er stieß den Mann am Boden noch einmal mit der Schuhspitze an. Als eine Reaktion ausblieb, wandte er sich zufrieden ab und …

… erstarrte. »Was war das?«

Obwohl er nicht angesprochen worden war, antwortete der Gefesselte diesmal. »Was … was meinst du, Mann?«, nuschelte er unter hörbaren Schmerzen. »Ich hab nichts gehört.« Seine Stimme klang schrill, außerdem waren die Worte mindestens zwei Sekunden zu spät gekommen.

Nach einer überraschten Pause, in der du dir gesagt hast: Verdammte Scheiße, er darf es nicht finden, dachte Robert lächelnd.

»Ich nehme es zurück«, sagte er, als er wieder neben den Mann trat.

»Wovon redest du?«, artikulierte der angestrengt. Eine Seite seines Gesichts war inzwischen stark angeschwollen.

»So gut seid ihr auch wieder nicht.« Robert lauschte konzentriert in die Halle hinein. Da war ein Geräusch gewesen, eigentlich sogar zwei Geräusche, leise nur, aber von der kalten Luft kristallklar an seine Ohren getragen. Ein dumpfes Poltern, und darunter … war es ein erstickter Ruf gewesen oder hatte er sich das eingebildet?

Nein, da war es wieder, lauter diesmal. Ein gedämpfter Schrei, möglicherweise wurde er durch einen Knebel gepresst. Aus dem Augenwinkel nahm Robert wahr, wie Wiesel-Man sich versteifte.

»Menschenhandel?«, argwöhnte er.

Mit Ausnahme der Schwellung verlor das Gesicht des Kerls sämtliche Farbe.

Bingo.

Zur Sicherheit behielt Robert die Fäuste oben, während er sich dem Stapel Kisten näherte, aus dem die Geräusche drangen. Er erwog sogar, nach seiner Pistole zu greifen, verwarf diese Überlegung dann aber.

Mit den Händen macht es mehr Spaß, flüsterte etwas in seinem Kopf.

Jetzt pochte es rhythmisch, wohl, weil jemand von innen gegen die Bretter trat.

Die Dunkelheit, die zwischen Roberts Schläfen waberte, reagierte enttäuscht. Hier wartete kein Feind, höchstens ein Opfer. Aber die Dunkelheit wollte Blut sehen, ihr war es am liebsten, wenn Robert im Rausch um sich schlug und Schmerzen verursachte. Als sie einen aggressiven Impuls in seine Gliedmaßen sandte, verkrampften sich Roberts Fäuste noch stärker. Fast brachte sie ihn sogar dazu, kehrt zu machen, um dem wieselhaften Handlanger eine weitere Lektion zu erteilen.

Aber die gedämpften Schreie hielten Robert zurück. Es lag an ihrer Klangfarbe – dort wurde eine Frau gefangen gehalten! Er konzentrierte sich, drängte die Dunkelheit zurück und schuf dadurch Raum für Fragen.

»Was soll das?«, sprach er die erste davon aus. »Normalerweise schmuggelt man Menschen nach Deutschland rein, nicht aus dem Land heraus. In welcher Branche sollte sich das lohnen?«

Er sah zurück, in Richtung von Wiesel-Man. Der Blonde hatte offenbar seine Courage wiedergefunden, denn er presste die Lippen so fest aufeinander, wie es ihm sein Zustand erlaubte.

»Na schön.«

Vor Robert ragte eine Mauer aus hölzernen Quadern auf. Die einzelnen Bausteine waren ungefähr zwei Meter lang und vielleicht fünfzig Zentimeter hoch. Sie erstreckten sich beiderseits bis in die Finsternis und türmten sich zu gut drei Metern Höhe auf. Robert überschlug ihre Anzahl.

»Müssen mindestens fünfzig sein«, sagte er schaudernd. Ihm war bewusst geworden, dass die Kisten große Ähnlichkeit mit Särgen besaßen.

Die Frau, die etwa auf Kopfhöhe in einer der Kisten steckte, musste seine Anwesenheit bemerkt haben, denn jetzt pochte sie noch energischer gegen die Wände ihres Gefängnisses. »Mmmh-mmmh!«, drang es durch die Bretter.

»Was für kranke Geschäfte hat der Mistkerl jetzt wieder angeleiert?«

»Was immer es ist, ich schwöre, dass ich nichts davon wusste«, beteuerte Wiesel-Man. Er war schwer zu verstehen; vermutlich fiel es ihm schwer, überhaupt noch den Mund aufzubekommen.

»Mmmh-mmmh-mmmmmh!« Der letzte Laut war fast ein Kreischen. Eines stand fest: Die Frau hatte Pepp.

»Es fällt mir schwer, das zu glauben«, rief Robert und trat einen Schritt zurück.

Die Dunkelheit erkannte eine Gelegenheit und sandte erste Fortsätze in seinen Verstand. Vielleicht wird sie unkooperativ sein, sich möglicherweise sogar wehren oder auf dich stürzen, sobald sich eine Gelegenheit dazu ergibt. Dann musst du sie natürlich zur Räson bringen, und wer weiß, vielleicht ist sie gar nicht wehrlos. Am besten sorgst du direkt für klare Verhältnisse und zeigst ihr, wer das Sagen hat. Zeig es ihr! Sie hat es verdient und du wirst dich besser fühlen …

»Nein.«

Es musste eine Grenze geben, und wenn sie noch so willkürlich gewählt war. »Keine Frauen. Nicht … wieder.«

Aber es hat so gut getan.

Robert brüllte und warf sich nach vorne. Indem er die Wand aus Kisten zum Einsturz brachte, verschaffte er der Dunkelheit etwas Befriedigung und gewann die Kontrolle über seinen Kopf zurück. Mit ohrenbetäubendem Getöse fiel der Stapel in sich zusammen. Staub wirbelte durch die Schatten, Kisten barsten knirschend, Latten klapperten über den Boden. Schlaffe Körper wurden herausgeschleudert und überschlugen sich haltlos auf dem schmutzigen Untergrund.

»Was zum …«

Es waren allesamt Frauen, das konnte Robert trotz der Lichtverhältnisse sofort erkennen. Kaum ein Mann trug zu dieser Jahreszeit so wenig Kleidung, erst recht nicht, wenn sie dermaßen knapp geschnitten war und aus solchen Materialien bestand. Lange Haare mochten manchen Kerlen stehen, aber dick aufgetragene Schminke sowie hochhackige Schuhe wohl eher nicht.

»Huren?«

Eine der Frauen starrte aus schreckgeweiteten Augen zu ihm hoch. Sie kroch ungelenk rückwärts, aber die anderen regten sich noch immer nicht. Waren sie tot oder hatte man sie betäubt?

Vielleicht hast du sie umgebracht, gerade eben, zischelte die Dunkelheit genüsslich.

Die Frau weinte, während sie in Todesangst vor ihm zu fliehen versuchte. Robert krümmte sich zusammen, als eine schmerzhafte Erinnerung vor ihm aufflammte.

»Lilian.«

Nein, das ist nicht Lilian, flüsterte die Dunkelheit. Sieh sie dir an! Lilian hätte sich niemals so angezogen. Diese Frau dort ist Abschaum, nichts wert.

»Falls das stimmt, dann ist sie wie ich«, murmelte Robert. »Ich werde ihr nichts tun. Verschwinde aus meinem Kopf!«

Die Dunkelheit sträubte sich, sie fuhr die Klauen aus, als wolle sie sich für immer in seinem Gehirn verankern. Aber es gelang ihm, sie zurückzudrängen. Vorerst, wisperte etwas, ehe es ganz verschwunden war.

Robert versuchte, sich zu sammeln. Jeder, der sein Zwiegespräch mit angesehen hatte, musste ihn für übergeschnappt halten. Und vielleicht war er das auch.

»Ich gehöre nicht zu den Männern, die Sie hier eingesperrt haben«, sagte er so ruhig wie möglich und bemühte sich, den Blick der Frau einzufangen. Abgesehen von schulterlangem, brünettem Haar und ansprechenden Körpermaßen konnte er noch immer nicht viel von ihr erkennen.

Sie wimmerte in den Knebel. Wie es aussah, hatte man ihr etwas in den Mund gestopft und anschließend ein Tuch darumgebunden. Ihr Kopf zuckte hin und her, während sie das Trümmerfeld voll schlaffer Körper studierte. Obwohl sie nicht gefesselt war, gelang es ihr nur mühsam, von Robert wegzukommen. Was immer man ihr gegeben hatte, beeinträchtigte offenbar ihre Muskulatur.

»Ich werde Ihnen jetzt das Ding abnehmen«, fuhr Robert fort. »Bitte machen Sie keine Dummheiten. Ich will nur ein paar Informationen, dann können Sie meinetwegen verschwinden. Okay?«

Sie starrte ihn lange an, so lange, dass er schon befürchtete, sie hätte den Verstand verloren. Immerhin gelang es ihm während dieser Zeit, ihre Augenfarbe zu bestimmen: Hellgrün. Die Schminke unter den Augen verlief zusehends, während Tränen sich einen Weg hindurch bahnten. Als sie schließlich nickte, kippte ihr Kopf dabei zur Seite. Beim Versuch, ihn wieder aufzurichten, bebte ihr ganzer Körper.

»Gut.«

Robert öffnete den Knoten an ihrem Hinterkopf. Zwischen seinen Armen hörte er sie atmen, hektisch und flach. Kaum war das Tuch abgewickelt, begann die Frau zu würgen und spie ihm eine weiße Tennissocke vor die Füße. Es platschte, als das Kleidungsstück auf den Boden traf, so vollgesogen mit Speichel war es.

Robert rechnete mit allem. Am wahrscheinlichsten erschien ihm ein Fluchtversuch, trotz des Nickens. Er hatte genug ähnliche Situationen erlebt, um zu wissen, wie Menschen in Angst tickten.

Aber die Frau floh nicht. Stattdessen tat sie etwas vollkommen Unvorhergesehenes. Mit kratziger, heiserer Stimme stieß sie hervor: »Wollen Sie, dass er entkommt?«

»Wa…«

Wiesel-Man!, schoss es durch Roberts Kopf. Er wirbelte herum und sah, wie der Kerl mit dem gebrochenen Kiefer sich an seinen Fußfesseln zu schaffen machte. Irgendwie war es ihm gelungen, die Hände zu befreien.

»Das lassen wir schön bleiben«, befahl Robert und stapfte auf ihn zu. Wiesel-Man dachte gar nicht daran, auf ihn zu hören. Er ließ von den Fußfesseln ab, stemmte sich hoch und hüpfte einfach los. Die Schatten verschluckten ihn, ehe Robert heran war.

»Das darf doch alles nicht wahr sein.«

Es kam ihm wie ein schlechter Traum vor. Hätte er in den zurückliegenden Monaten nicht so viel erlebt, würde er vermutl…

Die Erde bebte. Kisten knackten, Putz fiel von den Wänden.

»Scheiße«, presste Wiesel-Man in der Dunkelheit hervor. Als hätte die Erschütterung ihre Stimme befreit, stieß die Frau ebenfalls einen Schrei aus.

Robert sah reflexartig nach ihr. Fassungslos beobachtete er, wie hinter der Hure die Schatten in sich zusammenstürzten. Ein monströses Maul schien die langen Reihen aus Kisten zu verschlingen, die in einer Art umgekehrtem Dominoeffekt in Richtung des Lochs kippten.

Es muss ein Erdbeben sein.

In der Sekunde, die dieser Gedanke benötigte, rollte ein noch mächtigeres Dröhnen durch die frostige Luft. Als würde das riesenhafte Maul weiter aufgerissen, beschleunigte sich der Einsturz. Man musste kein Statik-Experte sein, um zu erkennen, dass die gelähmte Frau ohne Hilfe keine Chance hatte, zu entkommen. Sie kämpfte, kam aber kaum vorwärts. Ihre Arme knickten immer wieder ein und beim Versuch, die Knie unter den Körper zu ziehen, schlug sie der Länge nach hin. Schon barsten die ersten Kisten unmittelbar hinter ihr, der Untergrund senkte sich. Sie kreischte heiser.

»Verdammt.«

Er musste ihr helfen. Wiesel-Man würde entkommen, was bedeutete, dass Robert ohne echte Spur dastehen würde, und das, nachdem er die Männer so lange observiert hatte. Aber er konnte nicht zulassen, dass diese Frau starb. Es wäre schlicht falsch. Nach allem, was er gesehen und getan hatte, wäre es noch immer falsch.

Nein, zeterte die Dunkelheit, du darfst ihn nicht laufen lassen. Wir sind noch nicht fertig mit ihm!

»Halt’s Maul«, murmelte Robert, trat vor und griff nach dem Handgelenk der Frau. Sie versuchte sofort, sich zu befreien, und sah ihn wie das Monster an, das er war. Ungerührt zwang er ihren Arm über seine Schultern, warf den Dinosaurier weg und umfasste ihre schmale Taille. So schnell es ging, schleifte er sie fort, während Holzsplitter auf ihn einprasselten und das Krachen und Poltern ohrenbetäubend wurde. Immer wieder stemmte sich ihm der Boden entgegen und einmal glaubte er, unter dem Lärm ein gewaltiges Grollen oder Brüllen zu hören. Im Dach der Halle bildeten sich Risse, durch die kränkliches Winterlicht hereinsickerte. Als Robert über die Schulter blickte, war hinter den wogenden Staubschleiern ein gewaltiger Umriss zu sehen. Etwas regte sich in dem schwarzen Schlund. Es glänzte feucht, sein bleicher Leib zuckte in einem unheiligen Rhythmus. Ehe Robert Details ausmachen konnte, prasselten weitere Kisten in die Öffnung und verdeckten ihm die Sicht.

»Was ist das?«, schrie die Frau direkt neben seinem Ohr. »Großer Gott, was ist das?!«

Robert stolperte weiter. »Mich interessiert eher, wie wir so schnell wie möglich von ihm wegkommen.«

Unter infernalischem Getöse stürzten große Teile des Flachdaches ein. Robert hörte sie hinter sich auf den Boden schlagen und die letzten intakten Kisten zerschmettern. Einen Herzschlag später wurde er von einer Staubwolke verschluckt, die dichter nicht hätte sein können. Atmen wurde zur Unmöglichkeit, jedes noch so kleine Luftholen brannte wie Feuer und beschwor einen kaum zu bändigenden Hustenreiz herauf.

Raus raus raus raus raus!

Irgendwie gelang es Robert, seine Schritte weiter zu beschleunigen. Eine Art Summen drang an seine Ohren, ein unmenschlicher Laut wie von einem Schwarm riesiger Hornissen. Nur dass es ständig die Frequenz veränderte, fast, als wolle es eine Botschaft übermitteln.

Verdammter Sauerstoffmangel!

Robert warf sich zur Seite, als ein gewaltiger Schatten in sein Sichtfeld drang. Nur Zentimeter neben ihm gingen große Teile der Außenmauer nieder. Der dadurch erzeugte Windstoß vertrieb für kurze Zeit den Staub und enthüllte den Weg ins Freie. Mit letzter Kraft stemmte Robert sich hoch. Dass er die Hüfte der Prostituierten noch immer umschlungen hielt, nahm er kaum wahr.

Wieder erklang das Summen. Es schien sich rasend schnell zu nähern und dann in den Überresten der Halle zu verschwinden. Krachen und Dröhnen folgte, aber es wurde nicht von den einstürzenden Mauern hervorgerufen.

Explosionen, dachte Robert. Was war in dieser Halle alles gelagert worden, um Himmels willen?

Noch ein Schritt, zwei …

Als Robert zusammenbrach, brüllte das Gebäude wie eine verwundete Bestie. Er musste atmen, es ließ sich nicht länger bezähmen. Die Luft brannte, brannte, er hustete, bis er sich erbrach. Während sein Körper die inhalierten Fremdkörper ausstieß, verließ ihn auch das Bewusstsein.


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